Zweite Pandemie-Welle bremst EU-Wirtschaft Die Corona-Wirtschaftskrise wird sich laut der neuen EU-Prognose länger hinziehen als gedacht.

Zweite Pandemie-Welle bremst EU-Wirtschaft Die Corona-Wirtschaftskrise wird sich laut der neuen EU-Prognose länger hinziehen als gedacht.

Deutschland und Polen werden voraussichtlich als einzige größere EU-Staaten bis Ende 2022 das Vorkrisenniveau des Bruttoinlandsprodukts wieder erreichen oder überschreiten, sagte EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni.

Die Europäische Kommission veröffentlichte ihre Herbst-Wirtschaftsprognose, die für einige EU-Mitgliedstaaten für das laufende Jahr gegenüber der Prognose von Juli nicht so düster ausfällt. Gleichzeitig soll das Vorkrisenniveau des Bruttoinlandsprodukts nach der Corona-Krise erst nach über zwei Jahren erreicht werden können.

Der sehr starke wirtschaftliche Aufschwung im letzten Jahr wurde durch die zweite Pandemie-Welle unterbrochen. Der Anstieg der Wirtschaft wird im vierten Quartal erneut gehemmt. Erst im ersten Quartal 2021 wird die Wirtschaft wieder wachsen, meint der EU-Wirtschaftskommissar.

Die Europäische Kommission nennt Polen und Deutschland als Länder, die das Vorkrisenniveau des Bruttoinlandsprodukts bereits 2022 erreichen werden.
Die Wirtschaftsleistung in der Europäischen Union insgesamt schrumpft 2020 um 7,4 Prozent. Für Polen ist ein Einbruch beim Bruttoinlandsprodukt von 3,6 Prozent zu erwarten (für Deutschland minus 5,6 Prozent). Danach dürfte das Bruttoinlandsprodukt 2021 in Polen auf 3,3 Prozent wachsen (in Deutschland 3,5 Prozent). Für den Anstieg der Wirtschaftsleistung Polens wird für 2022 ein Niveau von 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (in Deutschland 2,6 Prozent) vorausgesagt.

Die Europäische Kommission ist der Auffassung, dass zum wirtschaftlichen Aufschwung in Polen im dritten Quartal dieses Jahres die außerordentliche Unterstützung der Wirtschaft durch den Staat (geschätzt in einer Höhe von 5,25 Prozent des diesjährigen Bruttoinlandsprodukts) beigetragen habe, aber auch unter anderem das starke Wachstum des Einzelhandels (auch dank der Einsparungen während des Lockdowns im zweiten Quartal) und der Vorkrisenaufschwung in Branchen wie Erholung, Entertainment und Hotellerie.

Die neue Pandemie-Welle werde das Wachstum in Polen zeitweilig bremsen, erklärten die Experten der Europäischen Kommission.

Von der Rezession werden in diesem Jahr am stärksten Spanien (minus 12,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts), Italien (minus 9,9), Kroatien (minus 9,6) und Frankreich (minus 9,4) betroffen sein, hingegen am wenigsten Litauen (minus 2,2), Irland (minus 2,3), Schweden (minus 3,4) und Polen (minus 3,6).

Die Europäische Kommission prognostiziert, dass die Arbeitslosigkeit in Polen in diesem Jahr durchschnittlich bei 4 Prozent (nach EU-Methodik ermittelt) und 2021 bei 5,3 Prozent liegen wird (in Deutschland jeweils 4 Prozent in 2020 und 2021). Die polnische Inflation (3,6 Prozent in diesem Jahr) wird sich im nächsten Jahr auf 2 Prozent abschwächen. Die vorausgesagte Defizitquote des Sektors der öffentlichen Finanzen beträgt in Polen 8,8 Prozent des diesjährigen Bruttoinlandsprodukts (6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland) und 4,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in 2021 (4 Prozent in Deutschland).

Der Wirtschaftskommissar Gentiloni, der sich normalerweise für die Einhaltung der Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts in der EU aussprechen würde, warnte heute die EU-Mitgliedstaaten vor einem vorzeitigen Rückzug staatlicher Coronahilfen für die Wirtschaft, auch wenn dies zu einem erheblichen Anstieg der Verschuldungsquote führen wird. Die Verschuldungsquote von Italien, dessen Ministerpräsident Gentiloni vor einigen Jahren war, liegt in diesem Jahr bei fast 160 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die polnische Verschuldungsquote nach EU-Methodik wird auf rund 56-57 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für 2020-2022 vorausgesagt.

Die Europäische Kommission warnt jedoch davor, dass ihre Prognosen mit einem „außerordentlich hohen” Fehlerrisiko aufgrund der sich entwickelnden globalen Gesundheitskrise behaftet seien. Durch ein sich verstärkendes Wachstum der Pandemie könne sich die Corona-Wirtschaftskrise „länger hinziehen als gedacht”.
– Es besteht das Risiko, dass die durch die Pandemie verursachten Einbrüche in der Wirtschaft, wie Konkurs; langfristige Arbeitslosigkeit und Lieferengpässe, immer tiefgreifender sein könnten”, so die Verfasser dieser Prognose.
Die Prognose stützt sich nämlich auf die Annahme einer Begrenzung der Epidemie im gesamten Jahr 2021, doch nicht in der härtesten Form der Lockdown-Begrenzung. Andererseits wurden in der Prognose keine möglichen mildernden Folgen berücksichtigt, wie das Brexit-Handelsabkommen zwischen London und Brüssel, über das immer noch verhandelt wird.

Gazeta Wyborcza/Tomasz Bielecki, Bruksela, Deutsche Welle, 5. November 2020